Predigt No.: 726

115 Jahre Carl-Alexander-Brücke Dorndorf

Ökumenischer Gottesdienst am 08.07.2007, 10:30 Uhr im Festzelt auf dem Parkplatz neben der Brücke

 

 

 

Predigt:               Pfarrer Oberthür

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Außer dem Papst, der den von den römischen Kaisern übernommenen Ehrentitel pontifex maximus – also oberster Brückenbauer – trägt, denken vermutlich die wenigsten Brückenbauer dieser Welt zuerst an Jesus Christus, wenn sie den Grundstein zum Bau einer neuen Brücke legen.

Vielleicht wird es sie darum verwundern zu hören, dass das beim Bau der ersten Dorndorfer Saalebrücke, die unserm Ort seinen langen gebräuchlichen Namen „die Brücke“ oder „an der Brücke“ gegeben hat, durchaus anders gewesen ist. Der im 13. Jahrhundert erfolgte Bau dieser Brücke hat weit mehr mit der Kirche und dem – damals natürlich noch rein katholischen – Glauben zu tun als heute sichtbar ist. Und insofern ist es durchaus passend und sinnvoll, dass wir anlässlich dieses Jubiläums hier einen ökumenischen Gottesdienst miteinander feiern. Lange vor dem Bau der Alexanderbrücke nämlich gab ein katholischer Bischof den Startschuss für den Bau ihres ersten Vorgängers hier an dieser Stelle, wo sich damals eine breite Saalefurt befand. Es war Bischof Bartholomäus von Naumburg, der den bemerkenswerten Titel „Bischof der Kirche der Heiligen Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob im Tale Hebron“ trug, wohinter sich weniger sein tatsächlicher Amtssitz als vielmehr die Hoffnung der Kreuzritter auf die Rückeroberung des Heiligen Landes verbarg. Und wir bemerken an dieser Stelle nebenher, wie sehr die Geschichte unseres kleinen Ortes damals mit der großen Weltgeschichte verknüpft gewesen ist. Am 30. August 1257 genehmigte jedenfalls Bartholomäus einen Ablass zum Bau einer Brücke in Dorndorf. Er kam damit der Bitte des Abtes Heinrich vom Kloster Pforte, dem heutigen Schulpforta, nach. Das Kloster Pforte war seit 1227 im Besitz einer Mühle und einigen Landes in Dorndorf und daher sehr am wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes interessiert. Der Bau einer größeren Brücke kostete jedoch schon damals so gewaltige Anstrengungen, dass er von dem kleinen Ort und dem Kloster allein nicht zu bewältigen gewesen wäre. Daher wandte sich der Pfortaer Abt an Bischof Barholomäus mit der Bitte, einen Ablass auszuschreiben. Der  Ablass ist ein Teil des katholischen Bußsakramentes. Ausgerechnet der Kampf gegen diese Form kirchlichen Sündenvergebens und gegen den habgierigen Missbrauch des Ablasses durch die römische Kurie war der Ausgangspunkt von Martin Luthers Reformation und der alleinige Gegenstand seiner 1517 an der Schlosskirche zu Wittenberg veröffentlichten 95 Thesen. Eine säkulare Form dieser Art von Schuldtilgung ist übrigens das heute mehr denn je übliche Bußgeld, mit dem viele von uns im Straßenverkehr vermutlich schon unangenehme Bekanntschaft geschlossen haben.

Die Einnahmen aus dem Bußgeld der Ordnungsbehörden fließen allerdings in die Kassen der Kommunen und kommen so der Allgemeinheit zu Gute. Und das Gleiche lässt sich nun eben in unserem Falle auch von dem Ablass des Bischofs Bartholomäus aus dem Jahre 1257 sagen.

Allen, die zum Bau der Brücke in Dorndorf Almosen gaben, bewilligte er den Erlass eines Großteils der ihnen auferlegten Buße. Auf diese Weise und weil unsere Vorfahren vermutlich keine geringeren Sünder waren als wir es heute sind, kam in kürzester Zeit das Geld für den Bau der Brücke zusammen. Und etwas salopp könnte man also sagen, unsere Dorndorfer Brücke ruhe gewissermaßen auf den Sünden unserer Vorfahren. Schon 6 Jahre später, im Jahre 1263, wird jedenfalls von einem ersten Unfall auf der Brücke berichtet. Die Dorndorfer Saalebrücke ist demnach ein Beispiel dafür, dass der mittelalterliche Ablasshandel auch eine große wirtschaftliche Bedeutung besaß, die Martin Luther allerdings wenig interessierte.

Sie war übrigens, ebenso wie ihr noch älterer Vorgänger, der sich ein paar Kilometer saaleaufwärts am Rhan befand, dem Heiligen Nikolaus geweiht, während unsere Dorndorfer Kirche, die auch den Beinamen „an der Brücke“ trägt, dem Heiligen Petrus geweiht ist, vielleicht, weil er auch der Schutzheilige der damals hier zahlreich ansässigen Fischer ist.

Die alte Brücke wurde später, wie auf alten Zeichnungen noch sehr schön zu sehen, überdacht und zu einer sog. Hausbrücke ausgebaut. Diese fiel dann am 25. November 1890 einem Hochwasser zum Opfer, welches hier zum Glück keine Menschenleben kostete aber mehr als 60 Naschhäuser und Dorndorfer obdachlos machte, ihrer gesamten Habe beraubte und den Bau einer neuen Brücke, der heutigen Alexanderbrücke notwendig machte. Wenn wir uns heute des 115jährigen Bestehens dieser Brücke erinnern und uns gemeinsam mit den Vereinen des Ortes für ihren Erhalt einsetzen, dann tun wir das auch im Gedenken an die zahlreichen materiellen und gelegentlich eben auch Opfer an Mensch und Tier, die die großen Hochwasserkatastrophen etwa der Jahre 1613, 1845, 1871, 1890, 1958 und zuletzt 1994 gekostet haben. Und wir rufen uns auch die großen Wellen der Barmherzigkeit ins Gedächtnis, von denen in den Chroniken und Archiven immer wieder berichtet wird. Der damalige Dornburger Superintendenten Wilhelm Ferdinand Frenkel etwa berichtet aus dem Jahre 1890: „Groß war die Not, unsagbar der Jammer. Aber groß war auch die Opferfreudigkeit auf allen Dörfern und reich die Hilfe, die uns geworden ist. Die Gesamtsumme der freiwilligen Gaben belief sich am Schluss der Sammlung auf 10.723,00 Mark. Erwähnt zu werden verdient,“ schreibt Fraenkel weiter, „dass unter den Unterstützungsgeldern für Naschhausen sich auch ein namhafter Beitrag des türkischen Sultans befindet, der, nachdem er in einer illustrierten Zeitung eine Schilderung der Überschwemmung gefunden, mehrere 1.000,00 Mark durch den Deutschen Gesandten für die Überschwemmten des Saaletales übermitteln ließ. Aus diesem so genannten „Türkenfond“ hat Naschhausen 2.000,00 Mark erhalten!“ Diese Erinnerungen an die immer wieder hereinbrechenden Naturkatastrophen, die damit verbundenen schweren Schicksale der Bewohner (und Tiere) unseres Ortes, aber auch die oft so anrührende Barmherzigkeit manchmal ganz fremder, fern wohnender Menschen führen uns zurück zu der Frage nach dem Grund, auf den wir – jetzt nicht unsere Brücken und Häuser - aber unser eigenes Leben und Dasein bauen. Nicht nur die bewegte Geschichte der Carl-Alexander-Brücke, zu der auch die unselige Sprengung eines Teils der Brücke durch einen fanatisierten Einwohner Dorndorfs im April 1945 gehört, oder ihr jetziger, so erbarmungswürdiger Zustand führen uns vor Augen, wie brüchig und vergänglich unser Leben ist, auf wie dünnem Eis wir wandern und wie sehr wir immer einmal wieder ganz unvermutet angewiesen sind auf die Güte, das Verstehen oder einfach nur die wohlmeinende Nähe anderer Menschen. Darum schreibt Paulus in seinem Brief an die Leute in der aufstrebenden Hafenstadt Korinth von einem Lebensfundament, welches den Wechselfällen des Lebens, den Launen der Natur und den Allüren der Menschen standhält und durch das Leben zu tragen vermag. Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Der lebendige Christus ist das Fundament der Kirche, nicht irgend ein alter Knochen, eingemauert als Reliquie im Altar, keine Sammlung von Werten und Regeln, wie etwa die so wichtigen 10 Gebote, die Glaubensbekenntnisse oder ein Katechismus, kein besonders begabter Pfarrer oder ein toller Kantor und eben auch kein gutgefülltes Bankkonto oder eine fette Pfründe. Der Grund unseres Lebens, meint Paulus, ist das, was in Jesus Christus den Menschen erschienen ist: die Liebe Gottes, Leben, Freiheit, Gerechtigkeit und  Barmherzigkeit. Das Fundament eines gelingenden Lebens ist das Wesen dieses Mannes, der durch Galiläa zog, Menschen heilte, Kinder segnete und die Liebe zu Gott und dem Nächsten zum höchsten Gebot erklärt hat. Dieses Fundament ist – wie die Liebe selber - etwas sehr Lebendiges - es trägt durchs Leben und verbindet wie eine Brücke uns Menschen mit dem dreieinigen Gott und untereinander. Es ist seit 2000 Jahren in der Welt und keine Naturkatastrophe, kein Skandal, kein Krieg, kein noch so großes menschliches Versagen hat es beseitigen können. Das ist etwas sehr Tröstliches.

Und es bedeutet eben auch, dass das Gelingen unseres Lebens nicht am äußeren Erfolg zu messen ist, nicht an Häusern, Autos, Brücken, ja nicht einmal an Gesundheit, Arbeit, Anerkennung und Karriere, sondern an etwas, was viel tiefer liegt und fester gegründet ist.

Dieses Fundament unseres Lebens ist unserem eigenen Tun und Lassen entzogen. Wir können es ignorieren oder vergessen. Aber wir können uns auch immer wieder darauf besinnen und uns neu darauf gründen. Das ist vielleicht in solchen Zeiten besonders nützlich und hilfreich, wenn wir uns Dinge vornehmen, deren Gelingen schon ein gehöriges Maß an Hoffnung und Gottvertrauen voraussetzt, so wie jetzt etwa, wenn wir daran gehen, uns des Schicksals dieser schönen, denkmalwerten Brücke anzunehmen, die unsere beiden Ortsteile über so lange Zeit hinweg miteinander verbunden hat. Und um wie viel mehr gilt es dann erst für unser eigenes Leben, unsere Pläne und Träume, dass wir ein sicheres, tragfähiges Fundament benötigen, einen Grund, der uns nicht zerrinnt unter den Füßen wie die Zeit zwischen den Fingern sondern der feststeht wie der Fels in der Brandung auch über die Zeit unseres kurzen Lebens hinaus Und da kann eben einen anderen Grund niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Amen