Der größte Schwibbogen Thüringens:

die Carl-Alexander-Brücke in Dorndorf





Mit 100 Glühlampen wird die Carl-Alexander-Brücke im Advent beleuchtet.

Foto: Klaus Enkelmann



Einem Verein ist es zu danken, dass das 120 Jahre alte Bauwerk aus Stahl nicht als Schrott im Hochofen endet, sondern als Denkmal erhalten wird. Dafür gibt es in diesem Jahr den Jenaer Vereinspreis von OTZ und Züblin.
Ihr 120. Geburtstag sollte eigentlich ihr letzter sein. Am 1. März 2012 lag den Stadträten von Dornburg-Camburg ein Beschluss vor, der das Ende der Carl-Alexander-Brücke in Dorndorf besiegelt hätte. Der Neubau einer Radfahrer- und Fußgängerbrücke an gleicher Stelle war als Ersatz für die alte Eisenbrücke gedacht. Dafür wollte das Land finanzielle Unterstützung geben, nicht aber für die Sanierung der rostigen Drei-Bogen-Brücke. Zu teuer, Aufwand nicht abwägbar, lauteten die Argumente der Fachleute von den Landesbehörden. Die Konsequenz: Endstation Hochofen für die 126 Meter lange Konstruktion aus Stahlfachwerk.
"Das war der Tiefpunkt für unseren Brückenverein", sagt Vorsitzender Matthias Bornschein. Fast sechs Jahre hatte sich der 2006 im damals noch selbstständigen Dorndorf gegründete Verein Carl-Alexander-Brücke e. V. für den Erhalt des Bauwerks eingesetzt.
Damit Geld in die Kasse kommt und die zuständigen Behörden merken, wie sehr die Dorndorfer an der Brücke hängen, organisierten die 50 Vereinsmitglieder seit 2007 alljährlich Feste. Die Rosenkönigin von Dornburg ließ sich mit ihrem Gefolge ablichten. Ein historisch passendes Namensschild wurde medienwirksam angebracht. "Öffentlichkeit herstellen und auf unser Anliegen immer wieder aufmerksam machen, das ist wichtig", sagt Bornschein. Sogar der Wandertag von Ministerpräsidentin Lieberknecht führte über das Stahlbauwerk. Der Verein stellte sich beim Tag der offenen Tür im Erfurter Landtag vor.
"Die Brücke gehört doch zu Dorndorf wie die Schlösser zu Dornburg", sagt Bornschein. Eine touristische Attraktion, an der sich Saale-Radwanderweg und Saale-Horizontale kreuzen.
Der 49-jährige Elektromonteur wuchs nur 200 Meter von der Carl-Alexander-Brücke entfernt, in der Hirtengasse auf. "Wenn wir früher zum Tanz auf die Dörfer gegangen sind, dann waren wir Dorndorfer nur 'die von der Brücke'. Die kannten alle", sagt Bornschein. Auch die Mutproben sind legendär: Über die Bögen klettern oder in die Widerlager kriechen. "In so einer Nische habe ich meine erste Zigarette geraucht", erinnert er sich.
Immer wieder verhandelten Verein und Gemeinde, später die neue Stadt Dornburg-Camburg, mit dem Straßenbauamt. Ohne wirklichen Erfolg, aber mit dem Gefühl der Hoffnung. Im Januar 2012 setzten sich Politiker, Landesbehörden, Denkmalschutz, Stadt und Verein in
großer Runde in der alten Schule an einen Tisch. Die klare Ansage des Landes: Neubau über Fördermittel für touristische Infrastruktur ja, Sanierung der Stahlbrücke nein.
"Das Ergebnis war für uns niederschmetternd. Wir fühlten uns über die Jahre regelrecht hingehalten. Ich habe für 14 Tage erst mal alles in die Ecke geschmissen", schildert Bornschein seine damalige Stimmung. Die Verwaltung formulierte schließlich jenen Beschluss, der den Stadträten von Dornburg-Camburg am 1. März 2012 vorlag: Neubau.
"Wäre dieser Beschluss gefasst worden, dann hätten wir unseren Verein sofort auflösen können, weil der Vereinszweck entfallen wäre", sagt Bornschein, der wie Ortsteilbürgermeister Klaus Enkelmann im Stadtrat sitzt. Mit Unterstützung der Dorndorfer Bürger überzeugten beide die anderen Gemeinderäte, den Beschluss zu vertagen. "Noch am selben Abend entschlossen wir uns, als Verein selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben, um eine fachlich fundierte Entscheidungsgrundlage für Stadtrat und Behörden zu besitzen", sagt Bornschein. "Die Aussagen zur Nicht-Sanierungsfähigkeit der Brücke basierten schließlich nur auf verbalen Aussagen der Landesbehörden."
Dank Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Kalendererlösen und Zuwendungen der Justiz aus Strafgeldern über Jahre war die Kasse des Vereins gut gefüllt. Das Gutachten, das am Ende 6600 Euro kostete, wurde bestellt. "Wenn der Verein aufgelöst worden wäre, denn hätten die Spender umsonst Geld gegeben für den Erhalt der Brücke. Die Finanzierung war aus unserer Sicht im Sinne der Spender", begründet der Vereinschef den Entschluss.
Innerhalb von nur zwei Wochen nahmen die Ingenieurgemeinschaft Setzpfandt sowie Experten der Bauhaus-Universität Weimar die Carl-Alexander-Brücke mittels Röntgen- und Bohrtechnik genau unter die Lupe. Schon am 10. April stellten sie die Ergebnisse dem Stadtrat Dornburg-Camburg vor. Die Diagnose war ermutigend: Die historische Rundbogenfachwerkbrücke ist im Kern gesund und steht noch ohne Probleme weitere 50 Jahre. Eine Sanierung lohnt sich und ist längst nicht so teuer, wie angenommen, so das Fazit des Gutachtens.
Das ungewöhnlich große Engagement der Vereins beeindruckte nicht nur die Stadträte, sondern auch die Landesbehörden. Am 26. Juni 2012 fasste der Stadtrat von Dornburg-Camburg den Beschluss, die Brücke zu erhalten. "Das war für uns ein historischer Moment", sagt Bornschein. Im September übergab die Stadtverwaltung fristgerecht alle Unterlagen an die Fördermittel gebenden Behörden. Die müssen nun prüfen, und Dorndorf kann wieder hoffen. "Unser Verein wird nicht arbeitslos. Wir sorgen später auch für den Erhalt der Brücke", sagt Bornschein.
Rostig steht die Carl-Alexander-Brücke auch nach dem Grundsatzbeschluss da, doch Elektriker Bornschein und seine Mitstreiter ließen sich für den 120. Geburtstag etwas Besonderes einfallen: 100 Glühlampen in den Brückenbögen erhellen das Bauwerk so, dass es abends passend zum Advent wie ein riesiger weihnachtlicher Kerzenständer über der Saale schwebt. "Ich wette, das ist Thüringens größter Schwibbogen", so Bornschein.
Ursprünglich waren die Carl-Alexander-Brücke und ihre Vorgänger mehr Handelswege und Lebensadern als touristische Attraktion. Bereits im Mittelalter gab es an dieser Stelle eine Furt. Später entstanden hölzerne Brücken. So genehmigte zum Beispiel am 30. August 1257 der Bischof von Naumburg den Bau einer Brücke in Dorndorf. Wie alten Chroniken zu entnehmen ist, befand sich der Saaleübergang etwas oberhalb des heutigen Standortes. Die letzte Holzbrücke über die Saale hatte mit Brettern verschalte Fachwerkwände und eine fränkische Überdachung. Eines der schlimmsten Hochwasser der letzten 200 Jahre zerstörte am 25. November 1890 die Holzbrücke bei Dorndorf. Ein paar Kilometer saaleaufwärts ist im Jenaer Ortsteil Kunitz in diesem Jahr eine ähnliche Hausbrücke wieder aufgebaut worden.
Seit 1892 überspannen die drei Bögen der Fachwerkbrücke aus Stahl die Saale. "Beeindruckend sind die Handwerkskunst und die ingenieurtechnische Meisterleistung der damaligen Zeit", sagt Vereinschef Bornschein. Ihren Namen erhielt die Brücke als Dank an
den regierenden Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Alexander. Er bewilligte das Geld für den Bau.
53 Jahre später sprengten fanatische Eiferer in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 den westlichen Brückenbogen. "Der lag abgeknickt im Wasser", sagt Bornschein. Auf Befehl der russischen Militärverwaltung hob die Mitteldeutsche Stahl- und Brückenbau GmbH aus Artern 1946 das abgestürzte Brückenteil und setzte es provisorisch instand.
"In den folgenden Jahren wurde die Brücke Stück für Stück wieder in ihrer ursprünglichen Form aufgebaut", sagt Bornschein. Die Rekonstruktion zog sich bis 1971 hin. Aus diesem Jahr datiert auch der letzte Farbanstrich. Die Maler der PGH "Farbenfreude" aus Zeulenroda entrosteten den Stahl und trugen drei Anstriche mit Bleimennige, einem damals gängigen Rostschutzmittel auf. Olivgrüner Decklack sorgte für den letzten Schliff. Das dauerte vier Monate.
In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand unterhalb der Carl-Alexander-Brücke eine moderne Spannbetonkonstruktion als Saaleüberquerung für die Fernverkehrsstraße 88. "Dadurch und nicht zuletzt wegen der 1892 zu Grunde gelegten geringen Tragfähigkeit verlor die Carl-Alexander-Brücke mehr und mehr an Bedeutung als Hauptverkehrsweg", sagt Bornschein. Das Bauwerk wurde vernachlässigt. Erst 2007 startete der neu gegründete Brückenverein eine gründliche Reinigungsaktion.
Bis zum 125. Geburtstag soll die Carl-Alexander-Brücke wieder in neuem Glanz strahlen. "Verdient hat sie es auf jeden Fall", sagt Matthias Bornschein.

Lutz Prager / 16.12.12 / OTZ